7 km von Krakaus Altstadt entfernt liegt Nowa Huta, die “Neue Hütte”. Einst sozialistische Vorzeigestadt, Gegenentwurf zum historischen Krakau. Jetzt will es die UNESCO zum Weltkulturerbe erklären. Dich erwarten breite Boulevards, pompöse Fassaden, ungewöhnliche Kulturzentren…


Małgosia ist Managerin des Hotels Warszawski am Rand der Altstadt. Sie führt uns durch Nowa Huta, eine “Stadt vor der Stadt”. Selten wird sie von Krakau-Besuchern angesteuert.
Plac Centralny
Am Plac Centralny steigen wir aus. „Früher stand hier ein riesiger Lenin, doch der wurde nach dem Fall des Sozialismus abgeräumt. Der damalige US-Präsident hieß Ronald Reagan, also wurde der Platz kurzerhand nach ihm benannt. Schaut, wie monumental hier alles ist, ein Prachtschinken neben dem anderen! All die Attiken, Säulen und Torbögen erinnern an die polnische Renaissance. Und vom Platz gehen fünf Straßen ab. Das Ganze wirkt wie ein riesiger Stern, mathematisch ausgeklügelt.“
Nowa Huta Kulturzentrum
„Ein gutes Beispiel für den späteren, entschlackten Stil des Sozialismus ist das Kulturzentrum, ein Koloss mit weit ausgreifenden Fluren und Sälen, mit klaren Kanten und großen Panoramafenstern, viel Naturstein und Glas. Nicht kleckern, klotzen! war die Devise, auf Quadratmeterpreise musste man keine Rücksicht nehmen. Und dahinter seht Ihr eine riesige Grünfläche. Wie es sich für einen guten Sozialismus gehörte: Licht und Luft, das war es, was die Werktätigen bekommen sollten. Heute birgt das Kulturzentrum zwei großartige Galerien.“

Galerie Beksiński
Und hinauf geht es ins Obergeschoss. „Beksiński ist hier verewigt, ein Surrealist, der im Sozialismus seine große Zeit hatte: kriechende Gestalten, halb Mensch, halb Tier, vermummt und verstümmelt, mit kraftvollem Strich in starken Farben. Manches erinnert an Hieronymus Bosch.“
Galerie Duda-Gracz
Bei Beksiński war es dunkel, bei Duda-Gracz nebenan ist alles hell, in Pastell getaucht. „Das ist die zweite tolle Galerie hier im Kulturzentrum. Auch Duda wirkt apokalyptisch, aber auf eine andere Art – seine Bilder erscheinen wie gemalte Karikaturen.“
Bildabdruck mit freundlicher Genehmigung von www.jerzydudagracz.pl
Kino Światowid / Museum Nowa Huta
„In Nowa Huta wurde für die kulturellen Bedürfnisse der Arbeiter gesorgt. Schaut, dieser Palast – das war ein Kino! Antike Säulen, eine Freitreppe zum Foyer und der Clou: Unter dem Kino ein Atombunker! Fast alle Gebäude in Nowa Huta sind durch Bunker verbunden, 260 gibt es davon. Heute ist Światowid kein Kino mehr, sondern ein Museum. Es zeigt die Nachkriegszeit, den Aufbau von Nowa Huta, die großen Streiks…

Auf der Allee der Solidarität
Wir folgen der schnurgeraden Solidaritätsallee zum Haupteingang der Stahlhütte. Ihr verdankt Nowa Huta Namen und Existenz. Es ist ein riesiges Werk, war einst Polens größte Fabrik und erfolgreichste Stahlhütte der Welt. Dann, 2019, weitgehend stillgelegt. „Gottseidank“, sagt Małgosia, „endlich wird Krakaus Luft sauber! Und versteht Ihr, warum die hutniks den Bau Dogenpalast oder Vatikan nennen?“

‚Dogenpalast‘ / ehemalige Lenin-Hütte
Hier nimmt uns Mateusz in Empfang, engagierter Chef der Stiftung zur Förderung von Nowa Huta. Wir sehen pompöse Säle, fantastische Treppenhäuser und Kabinette, wo alles aus Marmor oder Edelholz ist, beste Handwerksarbeit. Durch einen 100 m langen Tunnel gelangen wir zum unterirdischen Schutzbunker, wo die Zeit im Kalten Krieg stehengeblieben zu sein scheint… Hier war man auf alles vorbereitet – sei es auf einen Angriff mit Bio- oder mit Atomwaffen.
Alle Innenbilder entstanden mit freundlicher Genehmigung der Foundation for Promotion of Nowa Huta – vielen Dank!
Finale
Dann sind wir wieder am Zentralplatz. “Seid Ihr hungrig?” fragt Małgosia.

„Wollt Ihr eine authentische Sozialismus-Erfahrung?“, fragt Małgosia. Sie führt uns in die Restauracja Stylowa. Rüschen-Gardinen an den Fenstern, leicht säuerlicher Kraut-Geruch in der Luft und vor der Toilette ein Mini-Lenin. Nein, hier möchten wir nicht bleiben… Auch in der benachbarten Milchbar nicht, die picobello sauber, aber irgendwie steril ist. „Also auf zur Skarbica Smaku, das wird Euch gefallen!“ Retro-Mobiliar, historische Fotos an der Wand – dem Arrangement sieht man eine ironische Distanz zur Vergangenheit an. Doch die Sonne scheint – wir wollen lieber draußen sein. Also auf zu den Trucks vor dem Kulturzentrum!
Krakau – Weltkulturerbe Nowa Huta?
Infos
Nowa Huta Kulturzentrum (Nowohuckie Centrum Kultury), Aleja Jana Pawła II 232: Beksiński Galerie & Duda-Gracz-Galerie, Mi-So 11-19 Uhr, www.nck.krakow.pl/beksinski und www.nck.krakow.pl/jerzy-duda-gracz, Eintritt 2,50 € (für beide Galerien); mehr über Beksiński auf www.beksinski.dmochowskigallery.net
Kino Światowid/Museum Nowa Huta, os. Centrum E1, https://muzeumkrakowa.pl, Di-Mi, Sa-So 10-17 Uhr, Eintritt 3,50 €
Dogenpalast / Stahlhütte-Hauptgebäude, Zutritt nur im Rahmen einer Tour (s.u.)

Touren nach Nowa Huta: Die Entfernungen sind groß, da lohnt es sich, eine organisierte Tour zu buchen. Kompetent geführt und günstig sind die der Foundation for Promotion of Nowa Huta, die sich für den Erhalt der wichtigsten Gebäude engagiert. Du wirst vom Hotel abgeholt und mit einem sozialistischen Oldtimer – Trabi, Lada, Fiat Polski oder Uaz Ruski – nach Nowa Huta gefahren. Nach einem Halt am Zentralplatz besichtigst du die Paläste des Stahlwerks (inkl. Bunker). Dann geht es zur Kirche Arche Noah und in eine Milchbar, bevor du zum Hotel zurückgebracht wirst. Die Tour dauert 3-4 Std. und kostet mit englischsprachigem Guide ab ca. 40 €, min. 1 Tag im Voraus buchen!
Info-Stelle Zgody7, os. Zgody 7, Tel. 12 354 27 14, tgl. 10-18 Uhr. Mit Café und Buchladen, wenige Gehminuten vom Zentralplatz.
Essen & Trinken
Restauracja Stylowa, os. Centrum C-3, Tel. 12 644 2619, www.stylowa-krakow.pl, tgl. 10-22 Uhr; Bar Mleczny, os. Centrum C-1, Mo-Fr 7-19, Sa 8-15 Uhr; Skarbnica Smaku, os. Centrum C-1, Tel. 510714737, www.skarbnicasmaku.pl, tgl. 10-21 Uhr; Encek Food Truck Park, tgl. ab 12 Uhr.
Einkaufen
Cepelix, plac Centralny, www.facebook.com/Cepelix: traditionelles Kunsthandwerk und etwas Kitsch von anno dazumal.

Mehr über Krakau findest Du in unseren Reiseführern…