Wer nicht reisen kann oder will, kann sich mit Hilfe von Büchern in die Ferne versetzen. Und von zukünftigen Reisen träumen… “Meeresbücher für Couchsurfer” zeigt Dir eine aktuelle, von uns getestete Auswahl. Außer Romanen und Bilderbüchern gibt es spannend geschriebene Sachbücher…

Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln (Mare 2022). Bei der Lektüre bekommst Du nicht nur ein Gefühl für die unermesslichen Weiten der Ozeane. Du gewinnst auch Einblick in das, was die im 15. Jh. beginnende Globalisierung auf scheinbar weltverlorenen Inseln angerichtet hat. Sie wurden zu Strafkolonien und Verbannungsorten, Experimentierbasen der NASA, Militärstützpunkten und Waffenlaboratorien. Egal ob „garstige Gegenden aus erkalteter Lava“ oder „traurige Tropen“ – wo der Fuß des Menschen hinsetzt, bleibt Zerstörung zurück. Nur wo dieser kaum präsent ist, vermag die Autorin Paradiesisches zu entdecken, z.B. bei Atollen „großartiger als die Pyramiden“, geschaffen von Korallen. Dass die Lektüre trotz oft düsterem Inhalt so viel Genuss bereitet, liegt nicht nur an den variationsreichen, brillant verfassten Geschichten, sondern auch an der hochwertigen Aufmachung des Buches, das jede Insel mit einer poetischen, dabei wissenschaftlich exakten Karte vorstellt.

José Luis González Macías: Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt (mare 2023). Naturgemäß stehen Leuchttürme an exponierten Stellen, meist auf Klippen, unter denen das Meer rauscht: „Es liegt etwas Schönes und Wildes in diesen unmöglichen Bauwerken“, so der Autor, der 34 ihrer Art auf der ganzen Welt vorstellt. Es beginnt mit einem ukrainischen Turm im Schwarzen Meer, der wie eine Stahlgitter-Rakete Richtung Universum weist und endet mit einer südchinesischen, taifunerprobten Festung. Das graphisch fein gemachte Buch gefällt mit schrägen Geschichten, ausdrucksstarken Zeichnungen und Seekarten, die Fernweh wecken und uns auf Weltreise schicken. Kein Wunder, dass die Originalausgabe zum „schönsten Buch Spaniens“ gewählt wurde!

Dirk Liesemer: Lexikon der Phantominseln (mare 2016). Hätten Sie gewusst, dass westlich der Kanaren die Insel Antilia liegt, nach der Kolumbus 1492 den von ihm ‚entdeckten‘ Archipel Antillen benannte? Von den Kanaren sieht man an klaren Tagen auch Sankt Brendan, unter dem das versunkene Atlantis schlummert… Und was ist der Haken an all diesen Eilanden? Es gibt sie nicht! 27 weitere fiktive Inseln stellt der Autor vor: untergegangene Kontinente und verlorene Paradiese, Schatz- und Goldinseln, brandungsumtoste Teufels- und Geisterfelsen. Sie alle wurden auf Karten verortet, von Augenzeugen beschrieben und von Königen in Besitz genommen. Unterhaltsam ist es zu lesen, wie aus Seemannsgarn scheinbar unumstößliche Tatsachen wurden! So ist die Lektüre nicht nur eine Reise über alle Meere quer durch 2000 Jahre Geschichte, sondern auch eine Expedition in menschliches Wunsch- und Wahndenken. Hübsche Karten runden das Kompendium ab.

Mariette Navarro: Über die See (Kunstmann 2022). Ein großartiges Buch – sprachlich geschliffen und poetisch. Darf die Kapitänin eines Containerschiffes ihren 20 Matrosen erlauben, über Bord zu gehen, um im Meer zu baden? Sie tut es, lässt Maschinen und Radare ausschalten, klinkt das Schiff aus allen Kontrollsystemen aus. Für die Matrosen bedeutet dies Stunden voller Sinnlichkeit und Freiheit. Doch das Sich-Gehen-Lassen birgt Gefahr – auch für die Kapitänin. Nach dem Ausflug hinaus aus dem durchgetakteten Arbeitsleben und dem gezähmten Gefühl ist nichts mehr wie es war. Und plötzlich ist ein 21. Seemann mit an Bord. Wer mag der geheimnisvolle Fremde sein?

Samuel Hamen: Quallen – ein Portrait (Matthes & Seitz 2022). Wer tiefer in die Welt geheimnisvoller Meereswesen eintauchen will, wählt das Büchlein „Quallen. Ein Portrait“ aus der Reihe “Naturkunden”. Samuel Hamen hat es so unterhaltsam geschrieben und mit faszinierenden Bildern versehen, dass einem all die gefährlichen Medusen, Portugiesischen Galeeren und
anderen Tentakeltiere geradezu ans Herz wachsen.

Chris Dixon / Jeremy K. Spencer: Meer – Das ultimative Handbuch (Prestel Verlag 2022). So viel geballtes Wissen! Es kommt aus Forschung und Praxis, aus Wissenschaft und oraler Tradition. Dank der vielen Illustrationen – mal technisch präzise, mal suggestiv-künstlerisch – lässt sich das Buch gut durchschmökern. Wer tiefer eintaucht, erfährt, warum Haie und Tang für das ökologische Gleichgewicht wichtig sind, wie es zu toxischen Algenblüten und Fossilien aus Plastik kommt…. Es gibt Kapitel zu maritimer Wetterkunde, zu Meerestieren und Seevögeln, zu (See-)Tatoos und -Mythen. Crash-Kurse in Segeln, Surfen und Seekayaking, Tauchen und Angeln animieren, sich aufs Wasser zu begeben. Survival-Tipps erklären, wie man Quallenstiche, Hitze- und Kälteschock behandelt, Ertrinkende rettet und auf einer einsamen Insel überlebt…

Agatha Loth-Ignaziuk / Bartłomiej Ignaziuk: 14 000 Meilen über das Meer – Mit dem Kajak über den Atlantik (Gerstenberg 2019). Im Kajak, einzig und allein mit eigener Muskelkraft den Atlantik queren: Das hat als erster Mensch Aleksander Doba aus Polen geschafft. Mit 34 Jahren begann er zu paddeln, 30 weitere Jahre bereitete er sich auf seine große Expedition vor. Monatelang war er unterwegs, Strömungen, Stürmen und hohen Wellen ausgesetzt, ein winziger Punkt in den Weiten des Ozeans. „Nie habe ich mich einsam gefühlt“, bekannte der Seefahrer. „Fliegende Fische, Seevögel, an der Oberfläche treibende Portugiesische Galeeren – das Meer ist voller Leben!“ Das großformatige Buch erzählt in klaren, knappen Texten von seinen wagemutigen Fahrten. Ausdrucksstarke Zeichnungen verdeutlichen Aleksander Dobas Kraftakt:

Wie muss ein atlantiktaugliches Kajak beschaffen sein? Wie verstaut man auf winziger Fläche Proviant für mehrere Monate? Wie funktioniert eine mobile Meerwasserentsalzungsanlage? Und wie schläft man mutterseelenallein auf hoher See? Aleksander hat alle Schwierigkeiten gemeistert, wenn auch nicht ohne Schrecken…

Agatha Loth-Ignaciuk / Bartłomiej Ignaciuk: Ins ewige Eis! Nordpol und Südpol in einem Jahr (Gerstenberg 2022). Vom gleichen Autoren-Illustratoren-Team stammt dieses Buch, das Marek Kamińskis wahnwitziges Abenteuer plastisch vor Augen führt.


Roman Beljajew: Leuchttürme – Wegweiser der Meere (Gerstenberg 2019). Auch dies ein Kinderbuch, von dem Erwachsene lernen können: Wie kommt es, dass das Licht von Leuchttürmen 50 km weit zu sehen ist? Wusstest Du, dass es eine mathematische Formel gibt, die die Höhe des Leuchtturms bestimmt? Und dass in vielen Sprachen das Wort für Leuchtturm auf den höchsten je gebauten verweist? Er stand auf der ägyptischen Insel Pharos. Im Spanischen heißt Leuchtturm faro und im Französischen phare. Interessant auch, warum Leuchttürme – trotz elektronischer Navigationshilfe – noch immer gebraucht werden…

Tobias Friedrich: Geheimnisvolle Schönheiten (Terramater Verlag 2020). Als passionierter Taucher hält Fotograf Tobias Friedrich die Unterwasserwelt in fantastischen Nahaufnahmen fest. Dabei bedient er sich einer eindrucksvollen Ästhetik: Seine leuchtend-schillernden Meeresbewohner schweben vor pechschwarzem Hintergrund. Jedes Foto möchte man sich an die Wand pinnen! Die Motive sind nach Tiefe gestaffelt – von Gezeitentümpeln in 5 m bis zu 50 m unter Wasser, wohin sich manch ein Tiefseebewohner „verirrt“.
Noch mehr Meeresbücher für Couchsurfer…

Alex Rogers: Das große tiefe Blau (dtv Verlag 2019). Der neueste Wissenstand über die Lage der Meere, engagiert mitgeteilt – man merkt sofort, dass ein leidenschaftlicher Ozeanologe die Feder führt. Ob Riff oder Tiefsee, Forschungsgeschichte(n) oder Umweltkatastrophen – der Oxford-Professor ist mit buchstäblich allen Wassern gewaschen. Am Ende gibt er genaue Anleitungen, was wir alle tun können, um das Meer in seiner Schönheit zu erhalten.

Helen Scales: Im Auge des Schwarms – Von Fischen, dem Meer und dem Leben (Folio Verlag 2020). Packend wie ein Roman! Die Meeresbiologin und Taucherin erzählt, wie es unter Wasser zugeht. Warum haben Fische so herrliche Farben und warum leuchten sie? Wie funktioniert die Choreographie eines Schwarms? Und können Fische Klänge hören? Alles, was Du schon immer über Meerestiere wissen wolltest, wird hier unterhaltsam, dabei wissenschaftlich fundiert erklärt. Eingestreut sind spannende Legenden, z.B. “Von der Flunder, die ihr Lächeln verlor”.

Andreas Tjernshaugen: Von Walen und Menschen – Eine Reise durch die Jahrhunderte (Residenz Verlag 2019). Von klitzeklein bis riesig: Nach dem Bestseller “Das verborgene Leben der Meisen” hat sich der norwegische Autor nun dem größten Meeressäuger verschrieben. Alles Interessante, was man über Wale weiß, hat er aufgeblättert. Auch der Umgang des Menschen mit dem Wal kommt nicht zu kurz. Erst herrschte ehrfurchtsvolle Distanz, dann folgte gnadenloses Bejagen. Begehrt war des Wals fetter Tran für Margarine, Seife und Schmierstoffe… Heute wollen Viele den Wal vor der Ausrottung durch den Menschen schützen.

Die Ostsee –Berichte und Geschichten aus 2000 Jahren (Galiani Verlag 2018). Angefangen vom römischen Historiker Tacitus über Wikinger-Sagen bis zu unseren Zeitgenossen spannt sich der Bogen. Autoren rund um die Ostsee kommen zu Wort in Geschichten & Gedichten. Die Texte sind nicht chronologisch, sondern thematisch gebündelt. So findest Du Theodor Fontanes “Übersiedlung nach Swinemünde” im Kapitel Hart am Wasser, Bertolt Brechts “Finnische Landschaften” bei Provinzen und Stefan Chwins “Tod in Danzig” bei Historien und Schlachten. Schön ediert – ein toller Wälzer zur Einstimmung!